2. BISCHEMER KULTURSOMMER

Turnen und Radsport Anno Dazumal Welturaufführung einer Wochenschau von 1925 und 1928 Im Rahmen des 2. Bischemer Kultursommers am 24. Juni 2023


Eine Einführung von Professor Dr. Wolfgang Schneider

 

 

Bei der Begehung der Archivräume in den Rathäusern wurde ich 2021 auf eine Schachtel mit einem 35-mm-Film (438 Meter) aufmerksam. Auf Nachfrage beim ehemaligen Heimat- und Kulturpfleger, Bernd Schiffler, stellte sich heraus, dass es sich um dokumentarische Aufnahmen aus Bischofsheim handelte, die dem Bundesarchiv in Koblenz von Gisela Horst (Düsseldorf) aus dem Nachlass ihres Vater Jakob Horst aus der Spelzengasse 26, dem Betreiber des Kinos "Adler-Lichtspiele" in der Darmstädter Straße, angeboten wurden. 

 

Das Bundesarchiv sah aber keine nationale Archivwürdigkeit. Für die lokale Geschichtsschreibung seien die Filmaufnahmen aber durchaus bedeutsam. Das Nitromaterial wurde auf Kosten der Gemeinde bei der Internationalen Film-Union Remagen umkopiert und käuflich erworben, aber bisher nie zur Aufführung gebracht hat.

 

Die Gemeinde hat 2022 das Material dem Filmproduzenten Thomas Frickel (HE-Film Rüsselsheim) übergeben, mit der Bitte, die Kopie auf Festplatte in Auftrag zu geben. Die Firma Kahl & TV in Brühl hat geliefert und eine erste Sichtung am Laptop hat neue Erkenntnisse zu dem Film generiert.

 

Die Schwarz-Weiß-Aufnahmen zeigen in drei Teilen folgendes: Ansichten von Bischofsheim aus dem Jahre 1925 unter besonderer Berücksichtigung der "Kolonien" "Pecking" (!) , "Marokko", "Brasilien"; Eindrücke vom Festumzug und Festplatz anlässlich des 4. Bundesfestes des Hessischen und Nassauischen Radfahrer-Bundes vom 11. bis 13. Juli 1925; Eindrücke vom Festumzug und Festplatz des 48. Rheinhessischen Gauturnfestes vom 16. bis 18. Juni 1928.

 

Die Kosten der Rekonstruktion hat die Gemeinde übernommen, ebenso wie die Finanzierung einer Fassung mit Zwischentiteln. Im Archiv des Radfahrervereins Bischofsheim wurden ein etwa 80 cm hoher Pokal mit Deckel, auf dem etwa 10 cm hoch ein Rad und die Figur eines Radsportlers mit Lorbeerkranz steht, entdeckt durch eine Inschrift den Bezug zum historischen Ereignis hergestellt: "Gest. (iftet) v. (om.) Ehren-Ausschuss d.(es) Veloziped-Club Bischofsheim Bundesfest 1925".

 

Zudem konnte über Ebay eine 5 cm große Plakette von der Gemeinde käuflich erworben werden, die silberfarben in der Mitte einen nackten Jüngling mit Lendenschurz und Speer zeigt, links davon die Evangelische, rechts die Katholische Kirche, darunter der Hinweis auf das 48. Gauturnfest 1928 und das Logo des Deutschen Turnbundes. Auch die Festschrift mit 127 Seiten konnte in der Sammlung von Bernd Schiffler gefunden werden.

 

Radfahrerverein Bischofsheim e.V. (RVB)

Der RVB wurde 1897 im Gasthaus "Zum Adler" in der Untergasse gegründet und entwickelte mit seinen Aktivitäten und vor allem mit Siegen bei zahlreichen Wettbewerben Bischofsheim zur "Radfahrer-Hochburg". Am 8.8.1897 fand das erste große Straßenrennen auf der Darmstädter Chaussee statt; darüber hinaus engagierten sich die Akteure bei Reigen-, Radball-, und Rennmannschaften. Legendäre Radfeste soll es auf dem Festplatz am Hochheimer Weg (heute Hochheimer Straße) auf der "Fillweid" (der Fohlenweide, heute Bauhof) gegeben haben.

 

Vom 11. bis 13. Juli 1925 wurde in Bischofsheim das 4. Bundesfest des Hessisch Nssauischen Radfahrerbundes veranstaltet. Im gleichen Jahr wurde am 16.8. beim Deutschen Radfahrertag in Leibzig die Achter-Kunstreigenmannschaft des RVB Deutscher Meister. Ein Foto hierzu existiert im Archiv des Heimat und Geschichtsvereins Bischofsheim. In der Vereinschronik zur Festschrift anlässlich des 75-jährigen Jubiläums des RVB 1972 wird berichtet, dass zwei Tage nach der Meisterschaft "Tausende von Menschen" die acht Männer und das Trainerteam am Bahnhof begrüßt haben.

 

Turnverein Bischofsheim e. V. (TVB)

Der TVB wurde am 31.5.1883 von "Handwerksgesellen aus Sachsen, Hamburg und Thüringen", die auf Wanderschaft waren, gegründet und hatte zunächst 31 Mitglieder, die den Schlosser Hermann Kahn zum Vorsitzenden wählten, berichtete der Chronist, Lehrer Wilhelm Göbel. Im Sommer wurde damals im Schulhof (hinter dem heutigen Rathaus) oder im Garten der Gastwirtschaft "Wiesenecker" geturnt, im Winter bei Gastwirt Jakob Bayer.

 

Die Festschrift enthält zudem "Einiges aus der Geschichte von Bischofsheim" von Lehrer im Ruhestand Georg Mangold, der auch einige Zeichnungen des "Festortes" beisteuerte. "Photografische Aufnahmen" stammen von Adam Horst, dem späteren Gründer und Verleger des "Lokalanzeigers für die Mainsitze". Im Ehrenausschuss waren unter anderen Bürgermeister Fischer, Heinrich von Opel, Dr. Schad, Pfarrer Heddäus und der Landwirt Dammel tätig. Es gab einen Geschäftsführer Ausschuss, einen Bau-Ausschuss, einen Finanz-Ausschuss, einen Wohnungsbau-Ausschuss, einen Wirtschafts-Ausschuss, einen Vergnügungs-Ausschuss, einen Presse-Ausschuss, einen Ordnungs-Ausschuss und einen Empfangs-Ausschuss. der Festplatz lag außerhalb des Ortes, da wo heute die Georg-Mangold-Schule steht und der frühere Gemeindesportplatz war. Im Anhang bittet der TVB "um Aufmerksamkeit für Inserate" , beispielsweise für die Getränkeversorgung durch "Bären-Bräu auf dem Festplatz", für den Kolonialwarenladen von Katharina Scholl in der "Göthestraße 3" ("Weinbrand lose und in Flaschen") sowie für den Damen-Salon Steingötter in der Friedrichstraße 19 ("Ondulieren, Bubikopfpflege, Kopfwaschen, Praktische Geschenke, Toilettenartikel, Parfümerien, Seifen etc. , sowie Spielwaren und Scherzartikel jeder Art").