2. Bischemer Kultursommer 2023

Sieben Säulen der Kunst. Ein Projekt des Kunstwürfels


 

Zum Geleit  

von Professor Dr. Wolfgang Schneider, Erster Beigeordneter der Gemeinde und Vorsitzender der Kulturkommission 

 

Aufgrund eines Beschlusses des Gemeindevorstandes vom Juni 2022 wurde zwischen Gemeinde und dem Verein Kunstwürfel eine vertragliche Vereinbarung zunächst über drei Jahre getroffen, um die in kommunalen Besitz sich befindenden sieben Litfaß-Säulen als Kunst-Objekte zu nutzen. Die kostenlose Vermietung ermöglicht es, Kunstschaffende mit Stipendien einzuladen, gestaltend im öffentlichen Raum wirken. Es können auch einmal Kinder(-Gruppen) und/oder Jugendliche zu künstlerischen Aktionen angeregt werden. Seit Jahren hat keine kommerzielle Vermarktung der Litfaß-Säulen mangels Nachfrage stattgefunden und deshalb besteht jetzt eine einmalige Chance besteht, Kunst dezentral in Bischofsheim zu platzieren.

 

 

Vom Plakat-Pissoir zur Annoncier-Säule

 Als Litfaß-Säule bezeichnet der Duden eine "freistehende, niedrigere Säule von größerem Durchmesser, auf die Bekanntmachungen, Plakate geklebt werden". Erfunden hat sie der Berliner Druckereibesitzer und Verleger Ernst Theodor Amandus Litfaß, geboren 1816, gestorben 1874 während einer Kur in Wiesbaden. Bei einer Reise im Jahre 1843 nach Paris wurde er von einem mit Werbung beklebten, kreisförmigen Pissoir beeindruckt. 1855 wurde die ersten 100 "Annoncier-Säulen" in Berlin aufgestellt. Litfaß hatte zehn ´Jahre lang ein Monopol für die bis zu heutigen Tage nach ihm benannten "Litfaß-Säulen", auch weil er dem damaligen Polizeipräsidenten überzeugen konnte, damit dem um sich greifende Wildplakatieren entgegenzuwirken.

 

50.000 Litfaß-Säulen in Deutschland

Anfangs dienten die Litfaß-Säulen vorwiegend zur Ankündigung von Kulturveranstaltungen, während des deutsch-französischen Kriegs 1870/1871 wurden dort erste Kriegsdepeschen veröffentlicht. Später bekamen sie durch die Nutzung des Innenraums des Hohlzylinders auch zusätzlich Funktionen wie "Telefonkabelverzweiger" oder als Transformatorenstation. Als Werbeträger verbreitete sie sich rasch in den Nachbarländern, später auch in der ganzen Welt. Noch 2005 soll es mehr als 50.000 Litfaß-Säulen in Deutschland gegeben haben, 1979 und zum 150-jährien Jubiläum schaffte sie es auch auf Sonderbriefmarken. Weltberühmt wurde sie auch durch den Spielfilm "Der dritte Mann" von Orson Welles aus dem Jahre 1949, bei dem der Protagonist Harry Lime durch eine Litfaß-Säule in die Wiener Abwasserkanäle entkommt.

 

Litfaß-Säule als Kunst-Werk

Künstlerisch sind Litfaß-Säulen eher selten genutzt worden. Bekannt ist die Aktion eines Künstlers in Freiburg, der mit der Kettensäge ein Stück der beklebten Schichten herausgeschnitten hat, um dann mit Interessierten Plakaten aus einem Vierteljahrhundert einzeln abzulösen und diese auszustellen. In Bischofsheim sollen sieben ( von mindestens 15) verbleibende Litfaß-Säulen selbst als Ausstellungsfläche dienen. Die Herausforderung ist, die Kunstwerke der Form anzupassen, die Motivation, mitten im Ort künstlerische Akzente zu setzten sowie damit kulturelle Bildung im Alltag und für alle zugänglich zu machen. Dem Kunstwürfel ist zu danken, dass der Verein die Idee aufgegriffen hat und mit jährlichen Ausschreibungen "Die sieben Säulen der Kunst" durch Künstlerinnen und Künstler gestaltet.