2. BISCHEMER KULTURSOMMER

Zwischen Nierentisch und Petticoat Lieder aus den 50er und 60er Jahren Projektchor des 2. Bischemer Kultursommers 5. August 2023, 17 Uhr im Rosengarten

Eine Einführung von Professor Dr. Wolfgang Schneider

 

„So schön, schön war die Zeit“

Zur Kulturgeschichte der 50er und 60er Jahre

 

Wir erinnern uns gerne, gerne an das Schöne. Denn die 50er Jahre waren die Jahre der Nachkriegszeit, nach der Nazi-Diktatur, nach den Angriffskriegen der Deutschen Wehrmacht, nach Flucht und Vertreibung. Es war die Zeit des Wiederaufbaus und des Wirtschaftswunders. Die typische Wohnzimmereinrichtung bestand unter anderem aus einem Nierentisch und junge Frauen trugen einen Petticoat unter ihrem Rock. Der typischer Party-Snack war Toast Hawaii, der neue Treff zum Trinken die Milchbar. Man verabredete sich im Autokino, ob mit Isetta, Goggomobil oder knutschte in einem amerikanischen Straßenkreuzer. Überhaupt waren die USA nicht nur Teil der alliierten Befreiung, sondern ein Lebensentwurf für die Alltagskultur junger Menschen.

 

Nicht ohne Grund haben wir heute hier einen alten amerikanischen Fire-Truck zu Gast, den Brian, Älex (mit Ä) und Markus (kurz genannt BÄMS) mit viel Sorgfalt zusammengebastelt und ihn für Events nutzbar gemacht haben. Der „Dixon“ hat das Baujahr 1965 und ist ein original California Fire-Truck. Er war lange im Einsatz und geriet nach seiner Nutzung in Vergessenheit. Der gelbe Gigant misst 6,49 m Länge, 2,30 m Breite und 2,37 m Höhe. Andere amerikanische Idole waren James Dean und Elvis Presley, Chuck Berry und Bill Haley, Marilyn Monroe und Audrey Hepburn, Humphrey Bogart und John Wayne. Im Fernsehen der 50er und 60er Jahre wieherte „Fury“, quiekte „Flipper“, bellte „Rin Tin Tin“, flimmerte „Bonanza“ in Schwarz-Weiß.

 

Die Allgemeinen Rundfunkanstalten Deutschlands (ARD) wurde gegründet und übertrug 1954 das Endspiel um die Fußball-Weltmeisterschaft als „Wunder von Bern“. Ansonsten gab’s das Quiz „Was bin ich? mit Robert Lembke, der Direktor des Frankfurter Zoos, Professor Bernhard Grzimek, präsentierte „Ein Platz für Tiere“ und die „Hesselbachs“ erzählten mit Liesel Christ und Lia Wöhr eine der ersten Familienserien.

 

Und Musik kam aus der Jukebox, beispielsweise „Heimweh“, ein Schlager 1956 von Freddy Quinn gesungen, der als Coverversion auf Dean Martins Hit „Memories Are Made of This“ basierte. 1957 wurde das Lied für einen österreichischen Heimatfilm ausgewählt. Das Lied spielt im Leinwandstreifen – der mit Rudolf Prack prominent besetzt war – eine zentrale Rolle und gab dem Film als Titelsong seinen Namen: „So schön, schön war die Zeit. (…) Dort, wo die Blumen blüh'n, dort, wo die Täler grün. Dort war ich einmal zu Hause. Wo ich die Liebste fand, da liegt mein Heimatland. Wie lang bin ich noch allein'?“ Der Wunsch nach der schönen Zeit, das war’s, in den 50ern, Heimat und Liebe waren die Stichworte. Und die wurden immer wieder gerne gesungen.

 

„Mit 17 hat man noch Träume“

Zur Musikgeschichte der 50er und 60er Jahre

 

Wer etwas wissen will über die Musik junger Menschen zwischen 1950 und 1970, der kann so manches in einem „Jugend“-Magazin erfahren. In der „BRAVO“ erschien ab Ausgabe 13 im Jahre 1959 eine der erfolgreichsten Rubriken, die zunächst noch Star-Schnitt genannt wurde. So gab es jede Woche eine, später bis zu zwei Seiten zum Sammeln und Ausschneiden. Die Teile ergaben nach dem Zusammenkleben ein zumeist lebensgroßes Poster des Stars. Von Brigitte Bardot bis Britney Spears waren internationale Stars und Sternchen dabei, gleich zu Beginn auch die deutschen Interpreten Peter Kraus und Conny Froboess, ja, die mit der „Badehose“. Auf Rex Gildo folgten die Beatles, auf Heidi Brühl Mick Jagger. 1964 waren die Stars Filmschauspieler, Pierre Brice und Lex Barker als Winnetou und Old Shatterhand, ein Franzose und ein Amerikaner in Filmen und nach Büchern eines Autors aus Deutschland.

 

Auch das waren die 60er Jahre: Karl May in einer DDR- und mehreren BRD-Ausgaben. Zugleich steht die Verfilmungen stellvertretend für den Western des deutschsprachigen Unterhaltungskinos von 1962 bis 1968, die meisten mit bis heute bekannte Melodien des Komponisten Martin Böttcher. Musik spielte eine tragende Rolle in der Freizeit, Schallplatten wurden gesammelt und zum Tanzen auf Partys abgespielt, im Fernsehen sahen und hörten Millionen den „Beat Club“, die „ZDF-Hitparade“, „Hits a Gogo“, „Musik aus Studio B“, die „Starparade“ oder den „Talentschuppen“. Catarina Valente sang „Tipitipitipso“ in der Peter-Alexander-Show, im „Blauen Bock“ „Ganz Paris träumt von der Liebe“, Dalida trat mit „Am Tag als der Regen kam“ in der Quizshow von Rudi Carell auf und Nana Mouskouri „Weiße Rosen aus Athen“ in „Einer wird gewinnen“ mit Hans-Joachim Kulenkampff.

 

Im Duden wird Schlager als „schwer zu umgrenzender Begriff in der neueren Unterhaltungsmusik“ sowie als „Kurzform für leicht eingängige Tanz- und Unterhaltungsmusik“ beschrieben. Kennzeichnend seien „einfachste musikalische Strukturen und triviale Texte, die an das Harmonie- und Glücksverlangen des Zuhörers appellieren“. In den 1960er Jahren spaltete sich die populäre Musik im deutschsprachigen Raum in zwei Lager: in das des klassischen Schlagers und jenes der deutschen Popmusik. Der größte Gegensatz zur Popmusik, die neue experimentelle Wege in Sprache und Musik versuchte, war, dass der Schlager deutschsprachig blieb. Die Studentenbewegung tat das ihre zu der kritischen Hinterfragung der Hörgewohnheiten. Die Beatmusik, der Rock und der Pop eroberten fortan den deutschen Schlagermarkt.

 

Noch 1965 siegte aber eine Margaret Annemarie Battavio, besser bekannt unter ihrem Künstlernamen Peggy March, bei den Deutschen Schlager-Festspielen in Baden-Baden mit dem Lied „Mit 17 hat man noch Träume“, Musik und Text von Heinz Korn, was ihr den internationalen Durchbruch brachte.  Die US-amerikanische Pop- und Schlagersängerin pflegte ein Repertoire in neun verschiedenen Sprachen und reiste auf Tourneen durch die ganze Welt. Immer wieder landeten ihre Titel wie „In der Carnaby Street“, „Canale Grande Number One“, „Memories of Heidelberg“, „Telegramm aus Tennessee“ oder „Die Maschen der Männer“ als Hits in diversen Musiksendungen.

 

„Du bist nicht allein, wenn du träumst heute Abend“

Zur Lokalgeschichte der 50er und 60er Jahre 

 

Bischofsheim in den 50er und 60er Jahren, das war zunächst „die schwere Zeit“ mit den Nachwirkungen des Krieges, aber mehr und mehr auch die Zeit des geselligen Zusammenseins. Die Fassenacht wurde wieder gefeiert, die Kerb mit „Reitschul“ und „Schiffschaukel“ begangen, privat und öffentlich wurde gesungen. Die Gesangvereine Germania, Liederkranz und Eintracht gaben Konzerte, ein Spielmannszug bei der Freiwilligen Feuerwehr ins Leben gerufen, Schüler führten die „Struwwelpeter-Kantate“ im Saalbau auf, der Evangelische Kirchenchor feiert sein 50-jähriges Jubiläum, der neu gegründete Ortsjugendring veranstaltet erste Musikveranstaltungen, später die legendäre River-Boat-Shuffle, und die Katholische Kirche erhält eine neue Orgel.

 

In den „Adler-Lichtspielen und im „Capitol-Filmtheater“ gibt es in den ersten Jahrzehnten nach dem Krieg viel Kino mit viel Musik: In der Operettenverfilmung „Schwarzwaldmädel“ trällert die Hauptdarstellerin Sonja Ziemann „Muss denn die Lieb‘ stets Tragödie sein?“, in den sogenannten Heimatfilmen wird die heile Welt propagiert, in „Grün ist die Heide“ singen die Schauspieler Lieder von Hermann Löns. Mit der „Sissi“-Trilogie um die österreichische Kaiserin Elisabeth erlangen Romy Schneider und Karlheinz Böhm internationale Berühmtheit und im Lustspielklassiker „Das Wirtshaus im Spessart“ zeigt Liselotte Pulver ihre Sangeskünste. Hardy Krüger und Beppo Brehm kommen nach Bischofsheim und präsentieren ihre Produktionen, die Kriminalfilme nach Edgar Wallace, die in England spielen, aber allesamt mit Darstellern aus Deutschland entstehen, sind fast immer ausverkauft. Und der junge deutsche Film zeigt aber erste Alternativen zum Mainstream: „Horst Buchholz in „Die Halbstarken“ und Uschi Glas in „Zur Sache Schätzchen“. 

 

Auch die Filme mit Gerhard Höllerich waren in den Kinos an der Darmstädter Straße immer ein Erfolg: Ob „Immer Ärger mit den Paukern“, „Unser Doktor ist der Beste“ oder „Hochwürden drückt ein Auge zu“, ob später in der Fernsehserie „Ein Schloss am Wörthersee“ und bei fast allen TV-Unterhaltungsshows seiner Zeit. Sie fragen zurecht: Wer war Gerhard Höllerich? Die Fans unter Ihnen wissen aber Bescheid: Hinter dem bürgerlichen Namen verbirgt sich kein anderer als Roy Black. Es ist nicht verbürgt, dass er einmal live bei den zahlreichen Vereinsjubiläen mit Festzelten in Bischofsheim aufgetreten ist, aber er war mit all seinen Schlagern allgegenwärtig, auch dank Radio Luxemburg, dass wegen seiner modernen Musik auch hier vor Ort gehört wurde. Mit dem Lied „Ganz in Weiß“ nach dem Text von Kurt Hertha und der Musik von Rolf Arland wurde Roy Black im Frühjahr 1966 schließlich zum Schlager-Star in Deutschland. Rund 2,5 Millionen Singles wurden verkauft. Und auch ein anderer Longseller kommt in diesem Konzert ebenfalls zur Aufführung: „Du bist nicht allein, wenn du träumst heute Abend“. Träumen Sie schön, mit uns, heute Abend; denn auch das Träumen gehörte zu den 50er und 60er Jahren. 



Programm mit Titel der Lieder

(in Klammer die damaligen Interpreten) 

 

Begrüßung durch Renate Jost

 Pack die Badehose ein (Conny Froboess)

Tipitipitipso (Caterina Valente)

Banjo Boy (Jan & Kjeld)

Am Tag als der Regen kam (Dalida)

 

Zur Kulturgeschichte der 50er und 60er (Heike Soltau-Schneider)

Heimweh (Freddy Quinn)

Ganz Paris träumt von der Liebe (Caterina Valente)

Tulpen aus Amsterdam (Mieke Telkamp)

La Le Lu (Heinz Rühmann)

 

Pause mit Sektausschank

Zur Musikgeschichte der 50er und 60er (Karin Wehner)

Itsi bitsy teenie weenie (Caterina Valente) 

Pigalle (Bill Ramsey) 

Zwei kleine Italiener (Conny Froeboess)

Weiße Rosen aus Athen (Nana Mouskouri)

Mit 17 hat man noch Träume (Peggy March)

 

Zur Lokalgeschichte der 50er und 60er (Christine Stotz)

Ganz in Weiß (Roy Black)

Du bist nicht alleine (Roy Black)

Auf Wiedersehen (Rudi Schuricke) 

 

Dank an alle Beteiligten (Professor Dr. Wolfgang Schneider)

Zugabe: Marmor, Stein und Eisen bricht (Drafi Deutscher)